1. Einleitung und Definition
Gläserrücken ist eine okkulte Praxis, die besonders von Jugendlichen gerne als Partyspiel angewendet wird. Die spiritistische Idee dahinter ist, dass mithilfe des Glases ein Kontakt zu Verstorbenen hergestellt werden kann. Dabei wird ein (leicht bewegliches) Glas umgedreht in die Mitte eines Kreises gestellt, der aus dem Alphabet, den Zahlen 0-9 und jeweils einer „Ja“- und einer „Nein“-Karte besteht. Die Anwesenden legen nun jeweils einen Finger auf das Glas, das dann mithilfe eines „Geistwesens“ Fragen beantworten soll.
2. Durchführung
Teil der Idee der Kommunikation mit dem Jenseits ist ein bestimmter Ritus. Neben dem Buchstaben-/Zahlenkreis soll die Beleuchtung möglichst nur aus Kerzen bestehen, die Anwesenden sollten schwarz gekleidet sein und der Holztisch, auf dem Glas und Kreis sich befinden, sollte möglichst keine Nägel aufweisen. Teilweise wird das Glas auch vor und nach der Befragung „ausgebrannt“, in dem es über die offene Flamme einer Kerze gehalten wird. Die Einleitung der Befragung, nachdem alle Anwesenden einen Finger auf das umgedrehte Glas gelegt haben, besteht häufig aus einem „Geist, bist du da? Dann antworte mit ‚ja‘!“ Das Glas soll sich nun zur Beantwortung der Fragen auf den jeweiligen Buchstaben, die Zahl oder die „Ja“ oder „Nein“-Karte bewegen und dabei durch den anwesenden „Geist“ geleitet werden.
3. Erklärungsversuch
Die meistvertretene Erklärung des Phänomens eines sich vermeintlich von selbst bewegenden Glases besteht in der wissenschaftlich mehrfach untersuchten und bestätigten Theorie, dass die Bewegungen durch unbewusste Muskelbewegungen der Teilnehmer ausgeführt werden: Vereinfacht gesagt, führt bereits das Denken an eine Bewegung zur Ausführung (Carpenter-Effekt). Diese werden unbewusst so koordiniert, dass scheinbar sinnvolle Antworten entstehen. Da sie den Teilnehmern nicht bewusst sind, kann der Eindruck einer „wesensfremden“ Ausführung entstehen [1]. Lucadou merkt aber auch an, dass ein „erstaunlich hoher Prozentsatz von über 17% der Befragten berichtet, dass bei solchen Sitzungen auch Bewegungen des Glases beobachtet wurden, wenn es von keinem Teilnehmer berührt wurde“ (Psychokinese). Ferner hätten 7% der Befragten auch angegeben, dass Fragen richtig beantwortet wurden, deren Antwort keiner der Beteiligten (natürlich mit Ausnahme des Fragestellers) habe wissen können . Lucadou bringt hier als mögliche Erklärung ASW (Außersinnliche Wahrnehmung) an, die wiederum einen Bezug zum Kollektiven Unbewussten aufweist [1].
Wiseman bezeichnet diese Bewegungen als „ideomotorische Handlungen“, die beispielsweise auch bei Tischrücken und Ouija-Boards zum Einsatz kommen. Er benennt als wissenschaftliche Beispiele Untersuchungen z.B. von Edmund Jacobson, der in den 1930er Jahren herausfand, dass Versuchspersonen allein bei der Aufforderung hochzuspringen, deutliche unbewusste Muskelaktivität zeigten. Die meisten Forscher glauben demnach, dass ideomotorische Handlungen existieren, weil sich der Körper auf ein Verhalten vorbereitet. Außerdem sorge der Rebound-Effekt dafür, dass Menschen, die sich die größte Mühe machen ein bestimmtes Verhalten zu unterdrücken, dieses dann dennoch nicht vermeiden können. Der Forscher und Harvard-Psychologe Dan Wegner konnte bei Versuchen nachweisen, dass der Versuch, beispielsweise die Finger komplett ruhig zu halten zu verstärkten ideomotorischen Handlungen führte [2].
4. Testmöglichkeiten
Statt die Buchstaben und Zahlen aufzudecken, können diese mit der Rückseite nach oben vermischt als Kreis ausgelegt werden. Der Buchstabe oder die Zahl wird erst umgedreht, nachdem das Glas den Zettel berührt hat. Eine weitere Möglichkeit ist, den Anwesenden die Augen zu verbinden. Es empfiehlt sich außerdem der Einsatz einer oder mehrerer Videokameras.
5. Gefahren
Laut Walter von Lucadou bewirkt die Beschäftigung mit dem Okkulten bei manchen Jugendlichen (und anderen Betroffenen) die Symptome einer psychischen Abhängigkeit sowie Angst- oder Depressionszustände bis hin zum totalen Realitätsverlust (sog. „mediumistische Psychose“) [1]. Jörg Spenger gibt in seiner Arbeit für die Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis zudem an, dass neben den bereits erwähnten Folgen auch eine unbewältigte Konfrontation mit dem eigenen Unbewussten und der Verlust eigener Autonomie auftreten können und sogar Manipulation durch spiritistische Gruppen. Jegliche Feststellung/Bemerkung dieser Reaktionen bedarf zur Abklärung psychologischer bzw. psychotherapeutischer Betreuung. Spenger fand im Rahmen einer empirischen Studie zudem heraus, dass bereits 81% der 10- bis 14-Jährigen schon mindestens einmal eine okkulte Praktik ausgeübt haben. 16,3 % üben diese okkulten Praktiken (Pendeln, Kartenlegen, Tischrücken, Horoskopdeutung und Gläserrücken) gar regelmäßig aus [3].