Als EVP werden elektronisch aufgezeichnete, scheinbar körperlose und unerklärliche Stimmen bezeichnet.

Wissenschaftliche Einordnung: Subjektive physikalische Anomalien (Befunde, die mit den gängigen Paradigmen der Wissenschaft nicht ausreichend geklärt werden können). In derselben Gruppe befinden sich auch sogenannte Orbs, Brummtöne, sogenannte Gravitationsanomalien, UFO-Erscheinungen oder Geisterfotos.

Es können relativ einfach Pseudoanomalien erzeugt werden, also Anomalien, die zunächst paranormal erscheinen, dann aber von einem Fachmann geklärt werden können. Berühmtestes Beispiel: Die Geisterstimmen aus dem Teekessel. Walter von Lucadou fand heraus, dass die Feldstärke eines ca. 300 Meter entfernten Sendemastes eines Mittelwellensenders einen metallenen Teekessel auf einem Herd zu einem primitiven Radioempfänger werden ließ.

Auch beim Gehör gibt es Pareidolie (Gestaltwahrnehmung oder Geräuschinterpretation aus Zufallsmustern). Unser Gehirn versucht kontinuierlich wahrgenommenen Eindrücken (Formen, Geräuschen) eine bekannte Form zu geben. Dieser Impuls lässt sich nicht unterdrücken, er findet immer im Unbewussten statt. Dabei unterscheiden sich die jeweiligen Interpretationen oder auch Hörausmaße teilweise signifikant: z.B. hört Person A tiefe Töne in einer bestimmten Frequenz gar nicht, Person B hört zwar „etwas“, kann aber keine klaren Worte verstehen.

Auch Suggestion spielt eine große Rolle. Ist das vermeintlich verstandene Wort erst einmal durch eine Person laut ausgesprochen, fügt sich das Gehirn anderer Personen pflichtbewusst – was in der Mehrzahl aller Fälle dazu führt, dass nun auch die anderen Personen das Wort entsprechend verstehen.

Bei allen EVP-Aufnahmen muss ausgeschlossen werden können, dass vielleicht ein ähnliches Phänomen wie beim angesprochenen Teekessel verantwortlich sein könnte. Kann die Anwesenheit anderer Menschen mit Sicherheit ausgeschlossen werden? Kann ausgeschlossen werden, dass doch ein Teammitglied z.B. durch Flüstern die EVP verursacht hat? Gibt es Sendemasten in der Nähe?

Insbesondere Aufnahmen bzw. Arbeiten mit der Spirit Box sind genauestens zu untersuchen. Zum einen ist hier die akustische Pareidolie besonders hervorzuheben, zum anderen ist durch die Verzerrung der Interpretationsspielraum sehr hoch und die Wahrscheinlichkeit, dass es sich doch um den Wortfetzen eines Radio-/Fernsehsenders handelt, zu berücksichtigen (siehe auch Spirit Box).

Unter wissenschaftlichen, kontrollierten Bedingungen konnten EVP bisher nicht nachgewiesen werden. Dies betrifft auch die sogenannten Tonbandstimmen, die auf Friedrich Jürgenson (1959) zurückgehen. Untersuchungen am Institut für Grenzbereiche der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) 1964 und 1970 konnten zwar die Existenz des Phänomens bestätigen, doch genügten die Untersuchungen nicht den strengen Anforderungen der Analyseverfahren. Inzwischen rechnet das IGPP Tonbandstimmen zu den Phänomenen, die in der menschlichen Psyche ihren Ursprung haben.

Quelle

Mayer, Gerhard; Schetsche, Michael; Schmied-Knittel, Ina; Vaitl, Dieter (2015): An den Grenzen der Erkenntnis. Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik. Stuttgart: Schattauer.