Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung und Definition
2. Phänomenologie/Typologisierung von Geistererscheinungen
3. Begleitumstände
4. Häufigkeit
5. Mögliche Auslöser
6. Theorien und Erklärungsmodelle (konventionelle Ansätze)
7. Anomalistische Ansätze
8. Hauptvarianten objektivistischer bzw. externalistischer Theorien
9. Quellen
1. Einleitung und Definition
Seit es Menschen gibt, wird in allen Kulturen auch von Erscheinungen berichtet, die angeblich einen übernatürlichen Hintergrund haben. In großen Teilen der wissenschaftlichen Feldforschung und Parapsychologie hat sich in den letzten Jahren die englische Bezeichnung apparition etabliert, anstelle des Begriffes der „Erscheinung“. Dieser Artikel beleuchtet apparitions, die in einem Kontext zu paranormalen Erlebnissen/Phänomenen stehen. Nicht berücksichtigt werden religiöse Erscheinungen, sog. Marienerscheinungen oder ähnliches.
Eine Erscheinung ist eine spontane Wahrnehmung einer Person, eines Tieres oder unbelebten Objekts, das physikalisch nicht präsent und über normale Kommunikation nicht erreichbar ist.
2. Phänomenologie/Typologisierung von Geistererscheinungen
Nach Tyrrell (1953, 1989) werden folgende Typen von Erscheinungen ( engl. = apparitions unterschieden:
- Experimentelle Fälle
- Krisen-Erscheinungen
- Post-mortem-Fälle
- Erscheinungen, die regelmäßig an einem Ort spuken
- Erscheinungen von lebenden Personen
1. Experimentelle Fälle:
Hierbei handelt es sich um apparitions, die mit Experimenten willentlich induziert werden. In den meisten Fällen werden diese Experimente nicht nach wissenschaftlichen Standards durchgeführt, sondern finden innerhalb bestimmter okkulter Settings statt, wie zum Beispiel spiritistischen Séancen. Die daraus resultierenden Phänomene sind schwer zu klassifizieren, da oftmals menschliche Manipulationen stattfinden. Willentlich apparitions zu produzieren, ist auch Bestandteil magisch-esoterischer, schamanischer und okkulter Ritualen. Wenn es dabei zu apparitions kommt, werden diese teilweise sogar kollektiv wahrgenommen (Mayer 2003, S. 116). Raymond Moody führte etliche erfolgreiche Versuche in einem sog. Psychomanteum (= Abgedunkelter Raum mit einem großen Spiegel. Ein Proband stellt sich zunächst in einer Vorbereitungsphase mental auf die Person ein, die „erscheinen“ soll) durch. Laut An den Grenzen der Erkenntnis (S. 192) kann allerdings davon ausgegangen werden, dass bei einem derart angeleiteten Verfahren rund 50% der Probanden die gewünschte apparition sehen würden. Beim bekannten Philip-Experiment, das insgesamt sehr erfolgreich war, kam es hingegen niemals zu einer apparition des erzeugten „Geistes“.
2. Krisen-Erscheinungen:
Personen erscheinen anderen Menschen als apparition, während sie existentielle Krisen durchlaufen (z.B. Unfall, schwere Krankheit, Tod, oder [andere] traumatische Ereignisse). Tyrrell (1953, S. 48 ff.) führt ein klassisches Beispiel an: der in Indien weilenden Halbschwester eines Piloten im 1. Weltkrieg erschien der zum Zeitpunkt seines Todes in Frankreich befindliche Halbbruder. Von seinem Tod erfuhr sie erst später aus der Zeitung.
3. Post-mortem-Fälle:
Hierbei handelt es sich um apparitions von tatsächlich einmal existierenden Menschen, die jedoch bereits vor so langer Zeit gestorben sind, dass ihre apparition nicht mit dem Todeszeitpunkt in Verbindung gebracht werden kann. Beispiele sind Erscheinungen der Großeltern/Eltern in persönlichen Krisenzeiten. Tyrrell (1953, S. 49 ff.) führt als weiteres Beispiel einen Fall auf, bei dem der vor 14 Jahren verstorbene Vater seinem Sohn und dessen Ehefrau erscheint. Der Sohn war im Begriff, einen Fehler zu begehen, der ihm die Existenz hätte kosten können.
4. Erscheinungen, die regelmäßig an einem Ort spuken:
Bei dieser Form handelt es sich um ortsgebundenen Spuk. Häufig findet bei diesen Fällen keine Interaktion mit den Personen statt, die die apparition sehen. In vielen Fällen beschreiben Betroffene auch die historische Kleidung der gesehenen apparition.
5. Erscheinungen von lebenden Personen:
Diese Kategorie ist selten. Im Gegensatz zur Krisen-Erscheinung durchleben die Personen, die anderen (häufig Familienmitglieder) erscheinen, zu diesem Zeitpunkt keine krisenbehaftete Situation. „Doppelgänger“-apparitions sind eine Sonderform: dieselbe Person wird an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig wahrgenommen.
3. Begleitumstände
In den meisten Fällen (97%, außer bei experimentellen Fällen) treten apparitions völlig unerwartet auf, oft in vertrauter oder bekannter Umgebung. Nur bei 12% treten sie an einem dem Erlebenden unbekannten Ort auf.
In über 80% handelt es sich um menschliche Gestalten; in Großbritannien werden außerdem auffallend oft schwarze Hunde gesehen. In Deutschland ist das eher der Fall, wenn der Betroffene ein geliebtes Haustier verloren hat. Auch Objekte, z.B. ganze Industrieanlagen, können als Erscheinung auftreten.
4. Häufigkeit
Eine durch das IGPP durchgeführte Umfrage von 2011 in Deutschland ergab, dass 16% aller Befragten mindestens einmal im Leben die apparition einer verstorbenen Person oder eines sonstigen Wesens erlebt haben.
5. Mögliche Auslöser
- Bestimmte Stress- oder auch Entspannungszustände
- Übermüdung, unklare Sichtverhältnisse
- Pareidolie
- DMT-haltige Drogen (Dimethyltryptamin), Einsatz z.B. im Schamanismus
- Psychische Erkrankungen aus dem wahnhaften oder schizophrenen Formenkreis
- PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung)
6. Theorien und Erklärungsmodelle (konventionelle Ansätze)
- Spiritistisches Modell
- Neurologisches Modell (Stimulation des Gehirns mittels pulsierender, elektromagnetischer Felder – vergleichlich „The Haunt Project“, die Erstellung eines „Spuk-Raumes)
- Umweltfaktoren (verstärkte geomagnetische Aktivität, Gewitteraktivität)
- Halluzinationen (Sauerstoffmangel, wie bei Extrembergsteigern beschrieben)
- Schallwellen (Infraschall); hierzu gibt es teilweise widersprüchliche wissenschaftliche Befunde, siehe auch „The Haunt Project“
- Kognitions- und wahrnehmungspsychologische Aspekte (Resultat von Imaginationen oder von Missinterpretationen vieldeutiger Sinnesreize)
Konventionelle Ansätze weisen durchaus Plausibilitätsdefizite auf. Dies betrifft insbesondere die Kategorie der kollektiven Fälle (mehrere Personen nehmen gleichzeitig eine Geisterscheinung wahr, die anschließend übereinstimmend beschrieben wird).
7. Anomalistische Ansätze
Auch hier sind die kollektiven Fälle nicht wirklich abbildbar. „Psi“-Prozesse werden integriert (Außersinnliche Wahrnehmung = ASW, Telepathie, Präkognition oder Psychokinese). Die Theorien sind teilweise so kompliziert, dass alle anderen Theorien fast schon plausibler erscheinen.
8. Hauptvarianten objektivistischer bzw. externalistischer Theorien
- Astralkörper-Theorie: jeder Mensch besitzt einen Astralleib, der den physischen Tod überdauern könnte.
- Super Psi-Modell: apparitions besitzen quasiphysikalische Eigenschaften (z.B. psychokinetisch erzeugte quasi-immaterielle Objekte), die mit den normalen Sinnesorganen oder über ASW wahrgenommen werden können. Auch als quantenphysikalische Verschränkungszusammenhänge modellierbar
Bei diesen Modellen bleiben die zugrundeliegenden Funktionsmechanismen wie bei den telepathisch-halluzinativen Erklärungsansätzen offen.
9. Quellen
Bauer, Eberhard; Meyer, Gerhard (2015): Erscheinungen. In: Mayer, Gerhard; Schetsche, Michael; Schmied-Knittel, Ina; Vaitl, Dieter (Hrsg.): An den Grenzen der Erkenntnis. Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik. Stuttgart: Schattauer.
Tyrrell, George N. M. (1953): Apparitions. o. O.: Borodino Books.
Tyrrell, George N. M. (1989): Erscheinungen und Visionen im Psi-Feld. Freiburg im Breisgau: Walter Verlag.
Parsons, Steven T. (2015): Ghostology. The Art of the Ghost Hunter. Mumbai: White Crow Books.
Laythe, Brian; Houran, James; Dagnall, Neil; Drinkwater, Kenneth; O’Keeffe, Kiarán (2022): Ghosted! Exploring the Haunting Reality of Paranormal Encounters. Jefferson: McFarland and Company, Inc.
Dieser Beitrag wurde am 08.01.2025 zuletzt bearbeitet.