1. Einleitung
Bis heute genießen Ed und Lorraine Warren einen mystischen, nahezu überirdischen Ruf. Auf ihren angeblich wahren Fällen beruhen zahlreiche Hollywood-Horror-Produktionen, darunter das Conjuring-Universum [1]. Der selbsternannte „Dämonologe“ Ed Warren und seine angeblich mediumistische Frau Lorraine behaupten selbst, in die bekanntesten Poltergeist-Fälle involviert gewesen zu sein, darunter Amityville [2] und Enfield [3]. Sie sind außerdem Autoren zahlreicher Bücher [4]. Dieser Artikel versucht das Leben der beiden „Geisterjäger“ zu beleuchten und einen kleinen Einblick in ihre Fälle und Arbeitsweise zu geben [5].
2. How to become a demonologist
Edward Warren Miney wurde am 7. September 1926 in Bridgeport, Connecticut, geboren. Angeblich traten bereits in dem Haus, in dem er mit seinem Vater lebte, paranormale Phänomene auf, darunter fliegende Objekte und Apparitions [6]. 1943 ging Ed zur United States Navy und diente im Zweiten Weltkrieg an Bord eines US-Handelsmarineschiffes. Seine Frau Lorraine Rita Moran wurde am 31. Januar 1927 ebenfalls in Bridgeport, Connecticut, geboren und behauptete ebenfalls, sehr früh Auren um Menschen herum gesehen zu haben. Sie lernten sich noch während des Zweiten Weltkriegs auf einer Künstlerschule kennen und heirateten noch während Eds Navy-Zeit [7]. Durch ihr gemeinsames Interesse an paranormalen Phänomenen reisten sie quer durch New England und suchten nach unheimlichen Orten oder Menschen, die angeblich unter unerklärlichen Ereignissen litten. Sämtliche Kenntnisse und Fähigkeiten brachten sich die Warrens selbst bei – so entschied Ed offenbar ab einem ungenannten Zeitpunkt, dass er fortan „Dämonologe“ sei. 1952 gründete das Ehepaar die New England Society for Psychic Research (NESPR), hielt Vorträge und veröffentlichte erste Artikel.
3. Fallbeispiele
Annabelle (1970)
Einer der ersten Fälle der Warrens war nach ihren eigenen Angaben der einer besessenen Puppe. Zwei Zimmergenossinnen behaupteten, dass ihre Raggedy Ann-Puppe von dem Geist einer jungen Frau besessen sei und sich bewege. Die Warrens machten kurzen Prozess – sie nahmen die Puppe einfach mit, um sie in ihrem eigenen „Museum“ auszustellen. Seitdem sitzt „Annabelle“ in einem einfachen Schränkchen hinter Glas, auf dem werbewirksam steht, dass es keinesfalls geöffnet werden dürfe.
Die Perron-Familie (1971)
Das Zuhause der Familie wurde angeblich von dem bösartigen Geist einer Hexe heimgesucht („Bathseba“, die dort im frühen 19. Jahrhundert gelebt hatte). Nachdem Carolyn Perron nach einer durch Ed und Lorraine initiierten Séance einen Zusammenbruch erlitt, warf die Familie die Warrens raus. Die Familie blieb in dem Haus wohnen, bis sie sich zehn Jahre nach Beginn der Ereignisse einen Umzug leisten konnte – spätestens zu diesem Zeitpunkt endeten die Phänomene. Allerdings stellte sich heraus, dass die angebliche Hexe zwar durchaus eine reale Person gewesen, damit aber der Wahrheitsgehalt der Geschichte auch schon erschöpft war. Zudem wird inzwischen der ganze Fall in Frage gestellt und vermutet, dass es sich um einen Versuch der Familie Perron handelte, zu Geld zu kommen. Das Haus wurde nach dem Wegzug der Familie wieder bewohnt und der damalige Besitzer gab an, nichts Ungewöhnliches erlebt zu haben – außer, dass nach der Filmveröffentlichung (The Conjuring, 2013) unzählige Vandalen vor Ort gewesen seien. Das Haus steht heute paranormalen Untersuchungen offen und hat sich damit selbst finanziert. Die Perrons behaupten bis heute, dass ihre Geschichte stimmte.
Amityville
Noch vor der Conjuring-Reihe machte dieser Fall Furore. Unzweifelhaft gab es hier eine echte Tragödie, als Ronald DeFeo Jr. 1974 seine gesamte Familie erschoss. Als die Familie Lutz ein Jahr später einzog und angeblich direkt paranormale Vorfälle erlebte (die allerdings RSPK-typisch der Familie zur Mutter von Mrs. Lutz folgten), führten die Ereignisse dazu, dass die Familie das Haus nach nur 28 Tagen wieder verließ. Erst nach dieser mutmaßlichen Flucht betraten die Warrens mit einem Fernsehteam das Haus und führten eine Séance durch – nachdem die Lutzes eine andere Untersuchung durch den damaligen Leiter des Parapsychology Institute of America, Dr. Stephen Kaplan, abgelehnt hatten, da dieser gleich klarstellte, dass er auch einen möglichen Hoax veröffentlichen würde. Die Warrens führten die paranormalen Ereignisse auf einen Indianerfriedhof zurück, der sich auf dem Grundstück des Hauses befände. Kaplans Misstrauen war nach der plötzlichen Absage allerdings geweckt und er untersuchte den Fall selbständig weiter. Bald stellte sich heraus, dass die Lutzes ein starkes finanzielles Motiv hatten und die Beschreibung der Ereignisse nicht mit den Gegebenheiten vor Ort übereinstimmte; so wies beispielsweise die Eingangstür, die angeblich aus den Angeln gerissen worden war, keinerlei Beschädigungen auf. Zusammen mit weiteren Unklarheiten – so konnte auch die Behauptung der Warrens hinsichtlich eines angeblichen Indianerfriedhofes klar dementiert werden – führte dies schließlich dazu, dass Amityville heute gemeinhin als „Hoax“ gebrandmarkt gilt.
Enfield (1977)
Während der Fall an sich zu den am besten dokumentierten Poltergeistfällen weltweit gehört, war die oft zitierte Beteiligung der Warrens schlicht nicht vorhanden. Die Ermittlungen leiteten SPR-Mitglieder Guy Lyon Playfair und Maurice Grosse. Obwohl auch hier Vorwürfe aufkamen, dass es sich um einen Hoax, initialisiert durch die Kinder, handelte, sprechen die Dokumente und zahlreiche Aufnahmen gegen diese Annahme. Die Warrens waren jedenfalls überzeugt, dass auch hier ein Dämon am Werk war und reisten uneingeladen nach Enfield. Dort allerdings wurden sie direkt abgewiesen: Playfair hatte an dem Versprechen, Ruhm und Geld mit dem Fall machen zu können, kein Interesse und die betroffene Familie selbst kannte die Warrens überhaupt nicht.
Arne Johnson (1981)
Am 16. Februar 1981 tötete der 19-jährige Arne-Cheyenne Johnson seinen Vermieter nach einem heftigen Streit mit mehreren Messerstichen. Die Polizei war nicht schlecht überrascht, als einen Tag später die Warrens anriefen und behaupteten, dass Arne vom Teufel besessen gewesen sei – und zwar bereits seit einigen Monaten und aufgrund eines eigentlich anderen Falles, den des 11-jährigen David Glatzel. Arne war mit Davids älterer Schwester liiert und hat mitbekommen, dass der Junge seit Monaten unter nächtlichen Alpträumen und Halluzinationen litt. Die hinzugezogenen Warrens behaupteten augenblicklich, dass David besessen sei und führten mehrere Exorzismen durch. Während eines solchen Events bot Arne an, dass der Teufel statt in David doch in ihn fahren sollte – was angeblich prompt geschah. Konsequenterweise plädierte Arne auf unschuldig. Das Gericht sah dies als völlig unplausibel an und verurteilte Arne zu 20 Jahren Gefängnis; nach fünf Jahren wurde er wegen guter Führung entlassen. Arne Johnson zeigte nie wieder Anzeichen einer angeblichen Besessenheit.
Das Haus der Snedekers (1986)
Die Snedekers waren in ein altes Haus gezogen, das sich später als ehemaliges Beerdigungsinstitut herausstellte. Bald passierten alle möglichen vermeintlich unerklärlichen Phänomene, darunter Apparitions und sogar Vergewaltigungen. Besonders betroffen zu sein schien der sich im jugendlichen Alter befindliche Philip, bei dem zudem eine bösartige Krebsform diagnostiziert worden war. Die Familie kontaktierte die Warrens von sich aus, die 1988 einen Exorzismus durchführen ließen, mit dem die Phänomene schlagartig endeten. Doch gab es im Nachhinein zu viele Unklarheiten: Zum einen konnten die Snedekers nie beweisen, dass sich die Ereignisse tatsächlich wie beschrieben ereignet hatten; nicht einmal die Nachbarn glaubten an den Wahrheitsgehalt und Bewohner nach der Familie gaben an, nie etwas Ungewöhnliches erlebt zu haben. Der Autor Ray Garton wurde gebeten, ein Buch über den Fall zu veröffentlichen. Bei seinen Recherchen und zahlreichen Gesprächen mit der Familie stellte er fest, dass sich die einzelnen Familienmitglieder immer wieder widersprachen. Die Eltern betrieben exzessiven Alkohol- und Drogenabusus. Und die Warrens selber teilten ihm mit, dass er sich doch bitte gruselige Details selbst ausdenken möge [8].
Familie Smurl (1986)
Die Familie war mit den Großeltern von Familienvater Jack Smurl in ein Doppelhaus gezogen, in dem es angeblich zu paranormalen Phänomenen kam. Die Warrens stellten direkt beim ersten Besuch fest, dass es sich um einen Dämon handeln musste. Obwohl sie mehrere Exorzismen durchführen ließen, blieb der Fall allerdings ungelöst – die Smurls litten unter den Phänomenen, bis sie schließlich wegzogen und sich zeitgleich von der Öffentlichkeit distanzierten. Der Fall und das dazugehörige Buch werden in diesem Artikel ausführlich behandelt.
4. Kritik
Abgesehen von der ungebrochenen Popularität insbesondere im Filmbereich, waren die Warrens nie in der Lage, einen anerkannten Beweis für ihre Behauptungen dämonischen Handelns in von paranormalen Phänomenen betroffenen Haushalten zu erbringen; vielmehr wurden viele ihrer Fälle bereits zu ihren Lebzeiten in Frage gestellt. Die in den Büchern und Interviews mehrfach erwähnten vorhandenen Fotos und Tonbänder als „Beweise“ konnten Skeptiker nicht überzeugen, dazu kamen schwerwiegende Anschuldigungen gegenüber Ed Warren durch eine Frau namens Judith Penney (allerdings erst etliche Jahre nach Ed Warrens Tod, 2017).
Generell ist in den Fällen ein extremer religiöser Bezug auffällig. Mögliche andere Theorien für paranormale Ereignisse werden nicht in Betracht gezogen, die Familien sehr schnell in Richtung einer „dämonischen“ Einflussnahme gedrängt. Die Vorgehensweise darf damit auch ethisch in Zweifel gezogen werden. Psychische Auffälligkeiten wie eine Schlafparalyse werden ignoriert (siehe: Smurl Family Haunting) und letztlich beschränkt sich die aktive Mithilfe der Warrens auf Gebete und psychologische Verunsicherung der Betroffenen durch unqualifizierte Aussagen.
5. Was bleibt
Ed Warren starb am 23. August 2006, seine Ehefrau Lorraine am 18. April 2019. Das durch Lorraine Warren betriebene „Okkulte Museum“ (das angeblich verfluchte Objekte und Artefakte präsentierte, darunter „Annabelle“) schloss 2019, weil sich Nachbarn beschwert hatten, dass sie andauernd durch Touristen belästigt wurden. Nur noch ausgesuchte Interessenten dürfen das Museum heute besuchen. Insbesondere die zahlreichen Verfilmungen der Untersuchungen und damit verbundenen angeblichen Erlebnisse der Warrens dürften das Ehepaar unsterblich machen und dafür sorgen, dass das Mysterium um die Beiden noch lange nicht abebbt.
6. Quellen und Fußnoten
Dieser Beitrag wurde am 26.07.2025 zuletzt bearbeitet.