1. Einleitung
Spätestens seit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie (ART) und seiner speziellen Relativitätstheorie (SRT) wissen wir: Zeit ist keine konstante Größe, sondern eine relative. Diese Annahmen sind mittlerweile nachgewiesen und gelten als gesichert [1]. Eine der Fragen, die ich mir als Ghosthunter am häufigsten gestellt habe, ist folgende: Wie kann es sein, dass der Geist (der Einfachheit halber belasse ich es bei diesem Begriff) den physischen Körper zeitlich überdauern kann?
Beim morgendlichen Frühstück sah ich ein Video über die Relativitätstheorie und die in ihr beschriebene Zeitdilatation. Hierbei kam mir die Idee für das Gedankenexperiment, das ich im Folgenden gerne beschreiben möchte.
2. Die Relativität der Zeit nach Einstein
Um meiner Idee Klarheit zu verleihen, möchte ich zunächst auf die SRT in Bezug auf die Zeit eingehen. Zusammengefasst gilt: beschleunigt man eine Uhr, so vergeht die Zeit auf dieser Uhr im Vergleich zu einer Uhr, die sich nicht bewegt, langsamer. Diese Effekte wurden unter anderem bei Versuchen belegt, bei denen Uhren mit Hilfe von Flugzeugen, Raketen oder Satelliten auf hohe Geschwindigkeiten gebracht wurden. Am Ende der Experimente verging die Zeit auf der bewegten Uhr langsamer als auf der stillstehenden Vergleichsuhr [1].
Gleiches gilt in der ART im Wechselspiel zwischen Gravitation und Zeit. Befindet sich eine Uhr beispielsweise auf einem hohen Berg, vergeht die Zeit für einen externen Beobachter auf dieser Uhr um Sekundenbruchteile schneller als eine Uhr, die sich zum gleichen Zeitpunkt im Tal befindet. Der Grund hierfür ist, dass sich die Uhr im Tal näher am Erdmittelpunkt und somit näher an der Quelle der Gravitation befindet. Außerdem gilt: Je größer die Gravitation ist, desto langsamer vergeht die Zeit [1], [2].
Diese als „Zeitdilatation“ (Dilatation = Dehnung) bezeichneten Effekte sind mittlerweile nachgewiesen und gelten als gesichert [1].
3. Die Lebenszeittheorie für Spirits
In Episode 12 des Podcasts „Geistreich – der Geisterjägertalk“ sprechen Sonja und Chris über eine Frage, die sich direkt aus ihren Erfahrungen im Ghosthunting ableitet: Haben Spirits bzw. der Geist eines Menschen eine begrenzte Lebenszeit? Anders gefragt: „Stirbt“ auch der Geist irgendwann [3]?
Bei mittlerweile unzähligen paranormalen Untersuchungen ist Sonja und Chris aufgefallen, dass die Intensität der Rückmeldungen mit dem Alter der Location zurückgeht. Je älter also eine Location ist, desto weniger Rückmeldungen konnten verzeichnet werden bzw. wenn Rückmeldungen kamen, waren diese tendenziell aus einer noch nicht allzu lange vergangenen Zeit.
Diese Tendenz kann ich, wenn auch mit einer deutlich geringeren Grundgesamtheit, bestätigen. Die ältesten Spirits, von denen Rückmeldungen kommen, sind aus der Zeit des Mittelalters. Meist bekommen wir Rückmeldungen aus der jüngeren Vergangenheit (< 200 Jahre). Das wirft berechtigterweise die oben formulierte Frage auf. Auf einer paranormalen Untersuchung an einem römischen Steinbruch im Jahr 2023 haben Sonja, Chris und ich zusammen mit Sunny versucht, dieser Frage etwas genauer nachzugehen. Auf den Geräten von Sonja und mir waren keinerlei Anomalien erkennbar.
Auch wenn diese eine PU selbstverständlich nicht als abschließende Bewertungsgrundlage herangezogen werden kann, fügt sich dieses Ergebnis doch in die bisherigen Erfahrungen.
4. Verknüpfung der Ansätze
Zunächst muss an dieser Stelle folgendes angenommen werden:
1. Annahme: Körper und Geist verfügen über eine begrenzte Lebenszeit. Folglich ist auch das, was nach dem physischen Tod von uns übrigbleibt, auf eine gewisse Art und Weise sterblich.
2. Annahme: Körper und Geist sind zwei durch den physischen Tod trennbare Elemente, die nach ebendiesem auch örtlich getrennt werden.
3. Annahme: Reinkarnation ist ausgeschlossen. Der Geist wird in den Körper geboren und lebt nach dessen physischem Tod fort bis zum Ende seiner Lebenszeit.
4. Annahme: Körper und Geist haben potenziell eine gleichlange Lebenszeit.
Diesen Annahmen und Einsteins Relativitätstheorie folgend könnte der Grund für das Fortbestehen des Geistes nach dem physischen Tod eine Art Zeitdilatation sein. Die Zeit vergeht für den Geist in Relation zum Körper langsamer. Dies kann im Sinne der SRT bedeuten, dass sich der Geist nach dem physischen Tod an einem Ort (Jenseits) befindet, der sich sehr schnell bewegt und deshalb die Zeit langsamer vergeht als im Diesseits. Legt man die ART zugrunde könnte es sich ebenfalls um einen Ort mit extrem hoher Gravitation handeln. Denn auch hohe Gravitation lässt laut Einstein die Zeit in Relation zu einem Ort, auf den eine geringere Gravitation wirkt, langsamer vergehen. Selbst bei potenziell gleicher Lebenszeit von Körper und Geist könnte der Geist so den Körper überdauern. Letzteres erscheint mir plausibler, weil es meines Erachtens unmöglich wäre an einem stationären Ort Kontakt zu einer sich sehr schnell bewegenden Wesenheit aufzubauen. Deshalb wird im Folgenden zugrunde gelegt, das das Jenseits ein Ort mit hoher Gravitation ist.
5. Weiterführende Überlegungen
Wenn es stimmt, dass Körper und Geist zur selben Zeit und vereint geboren werden, sollte der Geist eines Menschen, der jung verstorben ist, im Jenseits länger existieren als ein Geist eines Menschen, der in fortgeschrittenerem Alter verstorben ist. Hierzu ein Beispiel in Abbildung 1:
Ab der Geburt befinden sich Körper und Geist am selben Ort (Diesseits), mit derselben Gravitation, die auf sie wirkt. Infolgedessen verstreicht die Lebenszeit von Körper und Geist gleich schnell. Nach dem physischen Tod wird er Geist an einen Ort transferiert (Jenseits), auf den eine deutlich höhere Gravitation wirkt. Die restliche Lebenszeit des Geistes ist also abhängig von seiner bisherigen Verweildauer im Diesseits. Je kürzer die Lebenszeit des physischen Körpers und damit die Verweildauer des Geistes im Diesseits war, desto länger die restliche Lebenszeit des Geistes im Jenseits, weil die Zeit dort relativ gesehen langsamer vergeht. Daraus folgt: je älter eine Entität ist, desto jünger muss ihr physischer Körper verstorben sein (siehe oberer Teil der Abbildung).
Eventuell könnte dies auch die Erklärung dafür sein, dass man während einer paranormalen Untersuchung seltener auf Entitäten trifft, die im Diesseits ein hohes Alter erreicht haben. Der Geist hat sich lange zusammen mit dem Körper im Diesseits aufgehalten und hat deshalb im Jenseits relativ gesehen eine kürzere Restlebenszeit (siehe unterer Teil der Abbildung).
Eine weitere mögliche Erklärung für das Fortbestehen des Geistes nach dem physischen Tod kann die Annahme sein, dass Gravitation auf den physischen Körper schwächer wirkt als auf den Geist. Unter diesem Gesichtspunkt könnte der Geist am selben Ort (Diesseits) verbleiben, ohne in ein Jenseits transferiert werden zu müssen. Das Ergebnis wäre prinzipiell aber dasselbe.

Abbildung 1:
Auswirkungen unterschiedlicher Gravitationsstärken auf die Lebenszeit des physischen Körpers und des Geistes (Quelle: eigene Abbildung).
6. Zusammenfassung und Einschränkung
Die Lebenszeit-Dilatationstheorie (LDT) besagt, dass der Grund dafür, dass der Geist den Körper überdauern kann, darin liegt, dass im Jenseits eine höhere Gravitation herrscht als im Diesseits. Hierdurch kommt es zu einer Zeitdilatation. Die Lebenszeit des physischen Körpers im Diesseits ist ausschlaggebend für die verbleibende Lebenszeit im Jenseits. Je kürzer die Lebenszeit im Diesseits ist, desto länger ist die Lebenszeit des Geistes im Jenseits. Oder: je älter eine Entität ist, desto jünger muss ihr physischer Körper verstorben sein.
Eine andere Möglichkeit ist die, dass die Gravitation auf den Geist stärker wirkt als auf den physischen Körper. Ein Transferieren des Geistes in ein Jenseits mit höherer Gravitation wäre somit nicht von Nöten.
Wie bei meinen Überlegungen zur Spuktaxonomie möchte ich abschießend klarstellen, dass es sich bei den hier beschriebenen Überlegungen nicht um eine Theorie im wissenschaftlichen Sinne handelt. Vielmehr ist es ein Gedankenexperiment, das auch nur unter den aufgelisteten Parametern funktioniert. Ich erhebe also keinerlei Anspruch auf wissenschaftliche Gültigkeit.