Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitende Zusammenfassung
2. Vorwort
3. Der Tatort
4. Familiäre Verhältnisse
5. Übersicht über die berichteten Phänomene
6. Weitere Geschichte der Familie
7. Weitere Geschichte des Hauses
8. Untersuchung und Betrachtung des Spukfalles Joller
9. Weiterführende Literatur
10. Fotos des Hauses
11. Quellen
1. Einleitende Zusammenfassung
In den Jahren 1861/62 wurde der Schweizer Publizist und Politiker Melchior Joller mit seiner Frau Karoline Wenz und den sieben Kindern in seinem Geburtshaus in Stans (Schweiz) Opfer heftiger Poltergeist-Phänomene. Über die Vorfälle führte er akribisch Buch. Er flüchtete mit seiner Familie aus dem Haus und starb drei Jahre später verarmt in Rom, gezeichnet von den ungeklärten Vorfällen [1].
2. Vorwort
„Wäre der Spuk mir nicht selbst begegnet und wäre ich nicht schonungslos als Beute diesem rasenden Ungetüm vorgeworfen worden, ich hätte der Erzählung anderer nicht geglaubt.
Von der Existenz dieser wilden Bestie habe ich mich mit allen wachen Sinnen und an helllichtem Tage überzeugen können. Dieser Schlag traf mich so unvermittelt und so hart, wie es kaum ein anderes Unglück vermocht hätte.
Meine Liebe zur Wahrheit veranlasst mich, unverfälschtes, öffentliches Zeugnis abzulegen. Getrieben von der Hoffnung, dass es eines Tages der Wissenschaft gelingen wird, das Rätsel des Spuks zu lösen. Ein Rätsel, durch das schließlich die gesamte Familie aus unserer geliebten Heimat vertrieben und vernichtet wurde.“
3. Der Tatort
Das alte, stattliche Bauernhaus stand, bis es im Jahr abgerissen wurde, auf der Spichermatt in Stans. 1798 wurde es anstelle des beim Franzosenüberfall zerstörten ursprünglichen Hauses erbaut und lag laut Melchior Joller „in einer der freundlichsten und sonnigsten Lagen des Stansertales“ [3]. Joller erbte das Haus 1845 von seinem verstorbenen Vater.
4. Familiäre Verhältnisse
Die Großmutter Melchior Jollers war Veronika Gut, eine reiche Bäuerin und Anführerin der „Vaterländer“, einer konservativen aufständischen Gruppierung, die für die Unabhängigkeit eintrat. Sie soll auf der Spichermatt heimliche Sitzungen abgehalten haben, was der helvetischen Zentralregierung schließlich zu weit ging: Am 9. September 1798 kam es zu einer Schlacht zwischen den aufständischen Nidwaldnern und den französischen Bataillonen. Am Enden starben etwa 170 Nidwaldner, darunter Veronika Guts Sohn. 350 Kinder, Frauen und Greise fielen den französischen Raubzügen zum Opfer. Das Haus auf der Spichermatt brannte bis auf die Grundmauern nieder und Veronika Gut wurde verhaftet, was sie aber scheinbar wenig beeindruckte. Nur zwanzig Meter vom ursprünglichen Standort entfernt erbaute sie ihr neues Haus und begann umgehend von Neuem mit der Agitation. Am 10. September 1801 floh sie, einen Tag vor dem erneuten Eintreffen der wenig amüsierten Franzosen, mit ihren vier Töchtern. Bei dem Versuch, einen Fluss überqueren zu wollen, brach der Steg ein und Veronikas vier Töchter starben in den Fluten. Veronika Gut starb am 28. April 1829 [4].
5. Übersicht über die berichteten Phänomene
Zeitpunkt | Ort | Betroffene/ Zeugen |
Vorfall |
Anfang Herbst 1860 nachts | Zimmer über der Kammer | Dienstmagd | Deutliches Klopfen am Bett gehört und gefühlt |
Einige Wochen später, nachts | Schlafzimmer „Kammer“ | Frau und zweitälteste Tochter | Rasches Klopfen auf altem Tisch neben dem Bett, kurz darauf Wiederholung: ca. 10-15 Schläge, anfangs stark, gg. Ende schwächer. Auf Aufforderung Wiederholung. |
Anfang 1861 (Juni) abends | Holzbehälter (Küchenstüblein auf dem dritten Wohnboden) | 9-jähriger Sohn | Sohn liegt ohnmächtig über einem Holzstapel. 3x Klopfen an der Tür, plötzlich springt die Tür auf und eine weißliche, unförmige Gestalt kam ins Zimmer. |
Mai/Juni 1861, nachts/Tag | Zimmer über der Wohnstube | „die Knaben“, Melchior | Schritte auf der Diele über ihnen, Klopfen, bei Überprüfung war die Tür des Saalbodens verschlossen und keine Ursache auffindbar. |
Herbst 1861 abends | Küche, Zimmer über der Kammer, Saal | Dienstmagd (entlassen im Oktober) | Graue Gestalten (Küche), Schritte auf Treppe, rufen ihres Namens vom „Saale“ aus, 3x Wiederholung des Raufgehens der Stiege, dann Schritte im Saal und längere Zeit deutliches Schluchzen vernehmbar. |
August 1861 vormittags | Zimmer über der Stube | 11-jährige Tochter | Erscheinung eines „freundlichen, halb angekleideten Kindes“, das sich „veränderte“ und in ihrer Nähe verschwand. |
Sommer 1862 nachts | Gartenzimmer | 2 Knaben | Starkes Kratzen an der Wand, deutliche Schritte oben im Haus „wie von einem schweren Hund“, Klopfen an Boden und Wänden. |
15. August 1862 | Im ganzen Haus | Alle Kinder, Dienstmädchen, Mieter des Anbaus (Melanie, Henrika, Eduard, Oskar) | (die Kinder waren alleine) Beim Abtritt Klopfen an der Hauswand, Wiederholung auf Aufforderung (3x), faustgroßer Kieselstein fällt zwischen die auf der steinernen Treppe sitzenden Kinder; bei Rückkehr in Haus Stuben-, Kammer- und alle Schranktüren offen. Türen gehen immer wieder auf, deutliche Schritte an der Stiege, eine hängende Figur oben an der Treppe, Fenster und Türen springen nach Verschließen wiederholt auf, Stuhl dreht sich und fällt um, deutliche Stimme sagt „Wenn au gaaaaaar niemer umen isch!“ Bewegung formloser Gestalten, Musik aus dem „Saale“ mit wimmernder Stimme, Totenkopf-Bildchen in Küche das verschwindet, Gestalt mit Flämmchen die in Wasser aufgeht. Am selben Tag steht eine steinalte Frau im Garten die fragt, ob dies das Haus der Veronika Gut sei. Sie habe die „Vronegg“ noch gut gekannt und die Sterbeglocke geläutet, als die vier Kinder ertrunken sind. Verwandter in Deutschland berichtet am gleichen Tage Klopfen im Haus gehört zu haben (Quellenlage hier unklar). |
19. August 1862, vor Mitternacht | Hausgang, Küchenstüblein, Stube, Kammer | Familie | Klopfen, 10-12 Schläge, schneller am Ende, Klopfen auf Aufforderung, dabei sehr lautes Schlagen zwischendurch; Klopfen überall, stärkerer Schlag bei einer Vorlesung über „Aberglauben“, Poltern an Bettlade, starke, dumpfe Schläge ans Fußbrett des Bettes und auf Stuhl, heftiges Erbeben der Möbel durch diese Schläge. |
20. August 1862, morgens ab 6 Uhr, abends wieder heftiger, Schluss gg. 22 Uhr | Stubendiele, Stubentüre, Küche und Kammertüre, oben im Haus besonders Stuben- und untere Kammertür und Boden dieser Zimmer | Familie, Frau des Mieters, Dienstmädchen, Hr. Vater Guardian (Vorsteher eines Klosters) | Poltern, Stubendiele: 2-3 rasche Schläge wie mit Holzhammer, heftiges Anklopfen an den Türen, endend mit starken Schlägen, so gewaltig, dass sich die Tür nach innen bog und später aufflog; Gestaltsichtung und „dunkelbrauner, halber Armknochen“, wieder Schritte auf der Stiege, 3x rufen „Erbarmet euch meiner!“, graues Wölkchen, das klopft. |
21. August 1962, morgens früh und vormittags. Lässt mit Einbruch der Nacht etwas nach, gg. Mitternacht Ruhe |
Im Haus | Familie, Dorfbewohner versammeln sich und hören den Lärm, Altratsherr Dr. R. Zimmermann, K.v. Deschwanden, Gerichtspräsident Odermatt, Richter Schallberger, Baumeister Aloys Amstad, Zeichenlehrer Odermatt | Poltern, heftige Schläge, Pausen von 3-5 Minuten, dann zunehmend heftiger, Tisch sprang hoch, Türen rütteln und springen auf und zu, Klopfen auch an alle Gläser und Gefäße, an verschiedenen Stellen des Hauses. |
22. August 1862, frühmorgens bis abends, nach-mittags schwächer werdend, gg. 20:30 Uhr ruhig | Familie, Gerichtspräsident Obermatt u.a., Klient K.S., A.I., Frau des Mieters, Frau L., Hr. Altlandeshauptmann, Frz. Zelger, Polizeidirektor Jann, Dr. Christen, Bischöfl. Kommissarius Niederberger, Pater Guardian, viele Neugierige | Schläge noch ungestümer, rasendes Gepolter, Eisenkloben schleudert an gegenüberliegende Wand, schneeweiße, oben und unten oval abgerundete Gestalt, Türen fliegen auf, Klopfen, Türen schlagen auf und zu, weiteres Gebilde mit winkenden Händchen, schwere Schläge. | |
23. August 1862, morgens bis einschl. nachts ca. 2:45 Uhr | Im Haus, Stubentüre, Küchenstübletüru. Stubenboden, Kammer | Messungen mit Apparaten etc., sehr viele Leute, nachts zwei Wachen | Deutliches Nachlassen der Phänomene. 9 Uhr: Stubentür auf und zu, Schläge an die Küchenstübletüre, Stubenboden Schlag. 3:30 Uhr: 2 Schläge, Stubentüre; 6:10 Uhr wieder, 8:45 Uhr beobachtet größere Gesellschaft wie die Stubentüre auf und zu donnert, Schläge, Berührung Melchior (Kinderhand), Dienstmädchen Berührung, Frau ebenfalls von Kinderhand berührt |
24. August 1862, ab 11 Uhr, 1 Uhr, 5:05 Uhr | Stubendiele | Wieder sehr viele Anwesende, „die meisten Kinder entfernt“ | Heftige Schläge an Boden und Türen, Klopfen an Stubendiele. |
25. August 1862, ab 11:30 Uhr bis ca. 20:30 Uhr | Küchenstübleinwand, Stubendiele, Küchentür, Stubenboden | Mehrere Zeugen, u.a. junger Arzt aus Luzern, Polizeiwache | „Poppern“, starke Schläge und Zuschlagen der Türen, 3x Schlag von unten an die Stubendiele, Türenschlagen Küchentür, Klopfen, wiederholtes reißend schnelles Türenschlagen. Beschluss einer Kommission bestehend auf Landesstatthalter W. Zelger, Landammann L. Würsch und Polizeidirektor Jann. |
26. August 1862, 7:29 Uhr bis ca. 20:30 Uhr | Diele, Stubentür, Küchentür, Fußboden Stube | Wiederum „Neugierige“ | Schläge, Poltern, Ton viel härter, Küchentür schlägt zu, starkes Klopfen, Auf- und Zuschlagen der Türen, pochen, von 12:13 Uhr bis 20 Uhr Pause, dann wieder Schläge |
27. August 1862, ab 9:30 Uhr. Um ca. 20 Uhr musste Melchior mit seiner Familie das Haus verlassen wg. der Kommis-sion. | Stubenboden und -tür, Schreibzimmer, Küchentür | „viele Personen“ |
Klopfen, Pochen, Türen auf und zuschlagen, „poppern“, heftiges Türenknallen.
Während der Anwesenheit der Kommission geschah rein gar nichts. Wiedereinzug nach drei Tagen, in der 1. Nacht sind nur Melchior und drei der Kinder anwesend; die Nacht war ruhig. |
Am Tag nach dem Wieder-einzug | Stiege | Kinder | „deutliches Anpoppern“ |
4. September 1862, ca. 13 Uhr | Am Nähtisch, Abtrittgänglein | Familie, Dienstmädchen | Gewaltiger Schlag, der das Tischchen hüpfen ließ und weithin hörbar war, dumpfe Tritte, Eisenriegel aufgerüttelt und Tür öffnet sich langsam. |
6. September 1862 morgens und abends | Stubendiele, Wohnstube | Klopfen, überall im Haus verteiltes rasches leises Klopfen, abends endend mit gewaltigem Anschlagen aus einer bisher ruhigen Ecke. | |
7. + 8. September 1862 | Gänglein, Schreibzimmer, Bibliothek | „dutzende Personen“ | Poppern an Dielen und Wänden, Klopfen an Wänden, Dielen und Schranktüren. |
9. September 1862, mittags 12 Uhr | Stubenboden | 3x Poltern, starkes Zuschlagen der Tür. | |
10. September 1862 | Stubendiele, Stube, Gänglein | Nachbarn, Familie | Poltern, das von Nachbarn gehört wurde, 3 rasche, sehe heftige Schläge; Stuhl rückt erst langsam, schlägt dann um und rast über den Boden; Stubentüre knallt, älteste Tochter sieht Erscheinung, die sie beschreiben kann. Gänglein Gepolter und Klopfen; Zuschlagen der Stubentüre, Wischen und Schritte aus dem Gänglein. |
11. September 1862, schon nachts, nur nach-mittags ruhiger, bis ca. 20:30 Uhr | Stube, Stiege, Küche | Familie, Dienstmädchen, Nachbarn | Poltern und Klopfen, Geräusch in Stube als würden mehrere Personen in Socken tanzen, nach Türöffnung still. Schwerer Tisch war umgeworfen, Stühle umgeworfen. Melchior und eine andere Person wurden mit Zweigen beworfen (Melchior im Haus durch das offene Fenster), Schuhe durcheinander, Poltern überall sehr schnell, Türenschlag (Stubentür), Sessel bewegt sich und dreht sich lautlos um, ebenso ein zweiter; Dreizöpfiges graues Tuch schwebend, selbiges zupft dem Dienstmädchen derb am Rock. |
12. September 1862, Ruhe bis ca. 2:45 Uhr | Stubentüre, Saal, Stube | Familie, Dienstmädchen, drei Studenten | Geräusch oben im Haus: Totales Chaos im Saal, aber ohne das irgendetwas zerstört wurde, nur zwei Bilder blieben unberührt, Stühle umgeworfen in der Stube. |
13. September 1862 | Saal, Küche, Stube, Kammer, draußen | Familie | Wieder komplette Unordnung im Saal und Küche und Hütte; umgestürzte Möbel und Dinge; während Melchior Geld einzahlt, hört die Familie im Zimmer neben der Stube deutlich Geld klimpern zur selben Zeit. Die 3 älteren Knaben vor dem Haus: Steine fallen herunter, aus dem Schornstein, immer ohne jemanden zu verletzen; abends bewegten sich die Stühle, auf denen sie saßen. |
14. September 1862 | Saal, Gartenzimmer, Küche, Keller | Familie, ab mittags „Wache“, ca. 20 Personen, Nachbar | Nach „Befehl“ Melchiors bleiben die Gegenstände von gestern über Nacht unverrückt, aber ein Schemel im Saal umgestürzt, Sonnenschirm ausgespannt, Gartenzimmer verwüstet, Küche teilweise verwüstet. Mädchen (Tochter) spürt Berührung mit „eiskalten, umhertasteten Fingerspitzen“, graues Wölkchen, eine Art Blitz, Klirren, eben abgeschlossene verriegelte Türen wieder offen, Gegenstände an anderen Orten aufgetaucht, Nachbar sieht Lichtflamme in Hausnähe. |
15. September 1862 | Gang, Gänglein, Schreibzimmer, Stube, Kabinettchen | Familie, Dienstmädchen, 2 weitere Personen, 3 Bekannte | Durchsichtiges Schattenbild trippelt schnell an die offene Stubentür, klopft ein paar Mal und wirft die Tür dann rasend ins Schloss; Wischen im Gänglein und schwere, dumpfe Tritte oder Schritte. Dinge verschwinden plötzlich, umgedrehtes Porträt von Melchior und ein zuvor verschwundener Hut daneben, nach umdrehen dreht sich Porträt erneut. Nach Lichtausmachen wieder Berührungen bei Frau und Kindern von feinen Fingerspitzen in Gesicht und Nacken, Schattenbild von zappelnden Händen vor dem Fenster, blitzschnell, bei Licht alles weg. Wieder Gegenstände an anderer Stelle, u.a. ein Beil, Sichel, eiserne Ringe. Tochter zieht abgebrochene Stricknadel und Birne aus dem Haarnetz und wird von Birnen beworfen; Berührungen im Bett, etwas setzt sich aufs Fußende und zupft an der Decke. |
16. September 1862, morgens | Stiege, Küche, Schreibzimmer | Wieder geht ein Teil der Familie, Dienstmädchen | Apfel hüpft Stiege herunter und in die Küche und weiter; Dienstmädchen wirft ihn schließlich aus dem Fenster und er kommt zurückgeflogen; Birne fällt blitzschnell und heftig von der Decke; lautes Trampeln und Schritte, Pferdegeschirr im Ofen, jemand spricht mit der Magd „Jetzt komme ich nimmer!“ aus der Wand heraus, tiefächtzende Stimme, eiskalte Berührungen. |
17. September 1862 | Saal, diverse Zimmer | Stricknadel ändert blitzschnell ihre Position in verschiedenen Zimmern, wieder Klopfen und „tanzende Paare“-Geräusch im Saal. | |
21. September 1862 | Küche | Wächter | Geräusch in der Küche wie von auslaufendem Wasser. |
22. September 1862 | Küche, Kammer, Kamin | Tochter, andere Person | Steinregen auf die Tochter, Steine fliegen aus Kamin, von außen wird beobachtet, dass sich die Vorhänge bewegen, graue unförmige Gestalt, Boden bebt durch lautes Scharren oder Rollen, am Fenster winkt ein weißes Tüchlein, in der Küche Schluchzen, hörbar aus den oberen Gemächern. |
23. September 1862, 18:30 Uhr | Kamin | Nasse Steine (Hühnerei groß) fliegen aus dem Kamin. | |
24. September 1862, ab vormittags | Stubenboden, Küche | Nachbarin | Erneut Steinregen, Schläge, grauer Lappen von außen hin und her geschwungen wie von brauner Knochenhand geschwungen, Steinregen in der Küche. |
25. September 1862 | Küche, Stube, Steinwerfen im Neubau | Möbelarbeiter | Winkel fliegt in den Hauseingang, Erscheinung im Dielenfenster: zwei Arme mit schneeweißen, vorne zugespitzten Händen, die einem der Söhne „gaukelnd entgegenschlugen“ und dann verschwanden. |
28. September 1862 | Kamin, Garten, Küche, Stiegen, Stubenboden, Abtrittboden | Familie | Steinewerfen vom Kamin in den Garten, abends im Haus in die Küche, 2 dumpfe Schläge (Stubenboden), Nagegeräusche und Klopfen. |
29. September 1862 | Garten, Schreibzimmer | Familie | Kieswerfen im Garten, lautes Klopfen an Boden und Fenster. |
30. September 1862, abends | Stiege, Küche | Familie | Faustgroßer Stein, taufeucht, über Stiege geworfen und ein weiterer in die Küche. |
3.auf 4. Oktober 1862 | Obere Zimmer, Laube, Milchkeller | Familie | Dumpfe Tritte, Steinwurf, Erscheinung kleines dreieckiges Bild von innen ans Fenster und zurückschnellend; im verlassenen Haus 3 umgestürzte Sessel; nach erneutem Verlassen des Hauses offene Schranktüren, umgeworfene Dinge, Herumgehen in den oberen Zimmern. |
5. Oktober 1862 | Kamin und Küche | Familie | Abgerissene Baumzweige. |
6. Oktober 1862 | In Abwesenheit der Eltern, Nachbarin | Türen knallen, Wischgeräusche, tiefächzende Stimme, die die Mädchen beim Namen ruft und sich erkundigt, wo die Mutter ist; Erscheinung eines Mädchens am Fenster von mehreren Kindern zu unterschiedlichen Zeiten gesehen. | |
8. Oktober 1862 | Kammerboden | Frau und einige Kinder außer Haus, ebenso Melchior | Heftiges Klopfen, Steinewerfen, Schrittgeräusche, immer wieder Pause von 2-3 Tagen. |
22. Oktober 1862 | Kamin, obere Kammern | Familie | Steinewerfen, Holzstücke und Nüsse werden geworfen. Die Familie zieht endgültig aus. |
6. Weitere Geschichte der Familie
Melchior Joller und seine Familie litten sehr unter den mit dem Spukfall in Verbindung gebrachten Betrugsvorwürfen. In einem Brief vom 2. Oktober 1862 an Dr. phil, et med. M. Perty, Universitätsprofessor in Bern, beklagt Joller: „Blossgestellt dem Kreuzfeuer einerseits von einer rohen, verwünschenden Pöbelmasse, andererseits von der unglaublichen, verleumderischen Presse, ward ich mit meiner zahlreichen Familie auf mich selbst, d.h. auf mein Unglück angewiesen und bin nun genötigt, aus Rücksicht für die erschütterte Gesundheit meiner Frau und meiner Kinder, mit den nächsten Tagen meinen Wohnsitz zu verändern“ [5]. Die Familie zog zunächst nach Aussersihl; entgegen anderslautenden Berichten [6] soll es dort zu weiteren Phänomenen gekommen sein. Erst nachdem die Familie beim Papst in Rom gewesen sei, habe der Spuk endgültig ein Ende gefunden. Eine andere Tochter Jollers (Emaline Giovanetti) gab 1938 an, nur ihr Vater sei von einer weiteren Manifestation betroffen gewesen [7] und er habe nach jener Nacht gesagt: „Jetzt habe ich verstanden“. Über Nacht sei er „schneeweiß“ geworden. Ansonsten bestätigte sie die Vorfälle. Melchior Joller verstarb 1865 in Rom.
7. Weitere Geschichte des Hauses
Im Frühjahr 1863 zog ein neuer Mieter in das Haus. Von paranormalen Phänomenen wurde nie wieder berichtet. 2003 entstand im Haus unter Mitwirkung von Walter von Lucadou eine 90-minütige TV-Dokumentation mit dem Titel „Das Spukhaus“ [8]. 2010 wurde das Haus abgerissen, an seiner Stelle sollte, nachdem der Kanton das 200-jährige, kulturhistorisch bedeutsame Haus in Plänen und Fotografien dokumentiert hatte [9], ein Einkaufszentrum entstehen.
8. Untersuchung und Betrachtung des Spukfalles Joller
Die meisten Poltergeist-Fälle finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Hier scheint es anders gewesen zu sein: An vielen Tagen waren „hunderte“ von Zeugen anwesend, darunter Menschen mit besonders gutem Leumund und hohem Ansehen, wie der Gerichtspräsident Odermatt, Polizeidirektor Jann oder Richter Schellenberger. Nicht nur wurden die Vorfälle noch während des Geschehens untersucht, sondern es gab (auffällig) viele Menschen, die Zeuge der Geschehnisse waren. Darunter waren auch zahllose Neugierige, die extra nach Stans reisten. Eine Tochter Melchiors bestätigte noch 1919 bei einer Anfrage des von Fanny Moser beauftragten Professors Bleuler, dass die Ereignisse so stattfanden, wie sie ihr Vater niedergeschrieben habe [10]. 1936 besuchte Fanny Moser das Haus Joller, das damals seit 1914 im Besitz eines Ehepaares S. war. Frau S. wusste über den Spuk Bescheid, gab jedoch an, dass dieser vollständig mit dem Weggang der Familie Joller aufgehört habe. Sie befragt auch noch mehrere Zeugen, die ebenfalls die Vorfälle bestätigen. Entgegen den Aussagen Melchior Jollers habe der Spuk aber nicht aufgehört nach dem Wegzug aus Stans. Vielmehr sei es im neuen Wohnort Zürich weiterhin zu Phänomenen gekommen, wenngleich diese „schwächer“ gewesen sein sollen. Dies bestätigte auf nochmaliges Nachfragen auch Jollers Tochter [11].
Fanny Moser kommt zu dem Schluss, dass der Spukfall als „personengebundener Spuk“ zu bezeichnen sei [12], wobei er nicht mit einzelnen Familienmitgliedern, sondern der ganzen Familie verknüpft gewesen sei. Dabei wurde durch verschiedene Zeugen und auch der damaligen Untersuchungskommission bestätigt, dass der Spuk auch dann stattfand, wenn sich keine Personen im Haus befanden.
Diese Einschränkung ist überhaupt nur möglich aufgrund der durch Jollers Töchter vorgenommenen Aussage, dass der Spuk auch nach dem Weggang aus der Spichermatt fortbestanden habe, wenngleich in entweder deutlich abgeschwächter Form oder sogar dann nur noch auf eine einzige Person bezogen, nämlich Melchior Joller selbst. Vielleicht war aber die beschriebene Manifestation, die Jollers Haar in einer einzigen Nacht bleichte und die scheinbar einige Zeit später stattfand, tatsächlich nur der Versuch seines Unterbewusstseins, dem Spuk eine Ursache zu geben? Denn dass die Familie noch lange nach dem Weggang aus Stans unter den Folgen des Spuks litt, scheint unbestritten.
Oder war doch er die eigentliche Fokusperson? Auf den ersten Blick scheint er die Voraussetzungen nicht zu erfüllen. Nach neueren Kriterien [13] kommt vielleicht auch die Einteilung in einen anderen RSPK-Typus vor, „denn nicht immer ist der pubertierende Teenie zur Stelle […] [14]“. Allerdings sind zu wenige Umstände aus dem dem Spuk vorangehenden Privatleben bzw. den Lebensumständen Jollers bekannt, als das hier eine sichere Einteilung erfolgen könnte.
Gegen die Klassifizierung als „ortsgebundenen Spuk“ spricht sicherlich die – allerdings nicht abschließend überprüfte und/oder ausschließlich aufgrund der neuen Bewohner des Hauses geäußerte – These, dass nach Jollers Weggang keine paranormalen Phänomene mehr stattfanden.
Ein weiterer Erklärungsansatz für die Phänomene ist die Verbindung zu Jollers Großmutter, Veronika Gut, die „über den Tod hinaus“ für den Spuk verantwortlich sein soll, da sie die Zugehörigkeit ihres Enkels zu den „Liberalen“ keinesfalls gutheißt [15].
9. Weiterführende Literatur
Joller, Melchior; Wagner, Matthias (2017): Das Poltergeist-Tagebuch des Melchior Joller. Protokoll der Poltergeistphänomene im Spukhaus zu Stans: Darstellung selbsterlebter mystischer Erscheinungen. Norderstedt: Books on Demand.
Vogel, Lukas (2011): Schreckliche Gesellschaft. Das Spukhaus zu Stans und das Leben von Melchior Joller. Zürich: Hier und Jetzt Verlag. Zusammenfassung online verfügbar unter: https://www.academia.edu/1642911/Das_Spukhaus_von_Melchior_Joller_Stans_Schweiz_1862_. Zuletzt geprüft am 02.04.2024.