1. Einleitung

Wie in der Zoologie gibt es auch in der Spukforschung die Bestrebung bestimmte Erfahrungen bzw. Phänomene in irgendeiner Art zu ordnen und zu kategorisieren. In der wissenschaftlichen Anomalistik ist man sich weitgehend darüber einig, dass zwei Arten von Spuk gibt: personengebundener Spuk und ortsgebundener Spuk [1].

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2. Derzeitiger wissenschaftlicher Konsens

Unter personengebundenem Spuk versteht man, kurz gesagt, auftretende Spukphänomene, meist RSPK-Phänomene, die immer nur dann auftreten, wenn eine Fokusperson anwesend ist. Dies geschieht unabhängig vom Ort, an dem sich diese Person aufhält. Diese Ansicht ist fester Bestandteil der animistisch-psychologischen Erklärungsmodelle von Spuk.

Ortsgebundener Spuk hingegen spielt sich nur an einem bestimmten Ort ab, beispielsweise in einem Gebäude oder auf einer Waldlichtung. Die Phänomene treten unabhängig von den anwesenden Personen auf [1], wobei Fokuspersonen auch ortsgebundene Phänomene auslösen können.

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3. Erweiterung der Spuktaxonomie

In meinen Augen weist die derzeit in der Wissenschaft angenommene Spuktaxonomie eine entscheidende Lücke auf, die allerdings nur schwer mit dem animistisch-psychologischen Ansatz zu vereinbaren ist [2]. Ich lege deshalb meinen Überlegungen den spiritistischen Ansatz zugrunde, der in meinen Augen wegen der nicht ausreichenden Faktenlage in dem Gebiet der Anomalistik auch nicht gänzlich vernachlässigt werden sollte.

Die Annahmen über die oben beschriebenen personenbezogenen Spukphänomene erscheinen mir als plausibel und decken sich auch oftmals mit den Erfahrungen, die im Ghosthunting gemacht werden. Von daher gibt es für mich keinen Grund diese Annahmen infrage zu stellen.

Schwierig oder zumindest ungenau finde ich Tatsache, dass in der Forschung ein Gegenstand (z.B. ein Haus) eine Unterkategorie der Kategorie „Ort“ ist. Meines Erachtens handelt es sich hier aber um zwei gleichgestellte Kategorien, wenn man einen Ort als Koordinate versteht. Schließlich kann sich ein Gegenstand (wie zum Beispiel ein Bett) unter Umständen auch an verschiedenen Koordinaten befinden. Mein Vorschlag wäre folglich die Begrifflichkeit des ortsgebundenen Spuks in die Begrifflichkeit des koordinatengebundenen Spuks zu ändern. Zur genaueren Erklärung möchte ich im Folgenden ein Beispiel aus einer meiner paranormalen Untersuchungen anführen:
In einem Waldstück ereignete sich ein schreckliches Verbrechen, bei dem ein Mädchen unter grausamsten Umständen zu Tode kam. Abgesehen davon war der Bereich auch Schauplatz diverser Verteidigungsschlachten zwischen der Wehrmacht und der US Army im zweiten Weltkrieg. In der Folge berichten Anwohner immer wieder von Stimmphänomenen und/oder Schattensichtungen im betroffenen Waldgebiet.
Da an dem Ort des Verbrechens kein Gebäude oder ähnliches steht, greift hier meines Erachtens die in der Wissenschaft angewandte Definition von ortsgebundenem Spuk nur unzureichend. Die Phänomene sind von einer bestimmten Koordinate abhängig, nämlich der Koordinate, an der das Verbrechen stattfand bzw. die Schlachten stattfanden. Folglich ist es ist für meine Empfindung die Bezeichnung koordinatenbezogener Spuk präziser. Diese Art von Spuk ist also unabhängig von den anwesenden Personen und unabhängig von einem Gegenstand (für eine genauere Definition des Begriffs „Gegenstand“ siehe nächster Abschnitt).

Die dritte und neue Kategorie, die mit den beiden oben genannten Kategorien gleichgestellt sein sollte, ist die des gegenstandsbezogenen Spuks. Als Gegenstand gilt in diesem Zusammenhang alles, das nicht in Koordinaten ausgedrückt oder als Person bezeichnet werden kann. Beispiele für Gegenstände können unter anderem Möbel, Schmuck oder eben auch Gebäude sein. Die Phänomene treten also unabhängig von der Koordinate und der Person auf, die sich in oder in der Nähe dieses Gegenstandes aufhält. Man könnte hier in Anlehnung an den personengebundenen Spuk also auch von einem Fokusgegenstand sprechen.
Auch wenn diese Idee im wissenschaftlichen Sinne nicht bewiesen werden kann, lassen sich doch Indizien feststellen, die diese dritte, gleichgestellte Kategorie rechtfertigen könnten. Hierzu ein Beispiel:
In einem der bekanntesten und auch am besten untersuchtesten Spukorte Deutschlands, dem Schlosshotel Waldlust, kann man die oben beschriebene Idee gut untermauern. Bereits seit Jahrzehnten lassen sich in dem Gebäude in speziellen Etagen und Räumen vermehrt paranormale Phänomene beobachten, die von Augenzeugen unabhängig voneinander und übereinstimmend berichtet wurden. Unter anderem hat das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) dort anhand von Aussagen von ehemaligen und damals aktuellen Mitarbeitern Befragungen durchgeführt und veröffentlicht.
Abgesehen vom IGPP hat das Ghosthunter Explorer-Team, bei dem damals noch die ParaWiki-Autorin Sonja Mitglied war und auch ParaWiki-Autor Chris, mehrfach untersucht. Mit der Zeit haben in dem Gebäude umfangreiche Sanierungsmaßnahmen stattgefunden, die das Erscheinungsbild im Inneren teilweise stark verändert haben. Mit fortschreitenden Arbeiten haben die Phänomene laut Sonja und Chris stark abgenommen, was dafür spricht, dass der Grund für die Phänomene nicht an einer Koordinate zu suchen ist, sondern am Gebäude an sich – also dem Gegenstand. Würde man das Gebäude vollständig abreißen, müssten auch die paranormalen Phänomene verschwinden.

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4. Zusammefassung

Mein Vorschlag ergänzt die in der Wissenschaft gängige Einordnung von Phänomenen und passt diese an. Ich möchte hier die einzelnen Kategorien nochmals zusammenfassend darstellen:

1. Personengebundener Spuk: Phänomene, die unabhängig von Gegenstand und Koordinate auftreten. Auslöser sind hier Fokuspersonen, die ein Problem externalisieren.

2. Koordinatengebundener Spuk: Phänomene, die unabhängig von den anwesenden Personen oder von einem Gegenstand auftreten. Sie treten nur an einer bestimmten Koordinate auf.

3. Gegenstandsbezogener Spuk: Phänomene, die unabhängig von den anwesenden Personen und Koordinaten auftreten. Dort, wo sich der Fokusgegenstand befindet, kommt es zu paranormalen Phänomenen.

Abschließend möchte ich ausdrücklich betonen, dass es sich bei meinen Überlegungen nicht um eine Theorie im wissenschaftlichen Sinne handelt. Meine Überlegungen sind das Ergebnis meiner Erfahrungen, die ich selbst im Ghosthunting gesammelt habe und das Ergebnis von Gesprächen, die mit anderen Ghosthuntern geführt wurden. Trotz dieser Einschränkung finde ich, dass diese Überlegungen im Kontext spiritistischer Annahmen durchaus über schlagfertige Argumente verfügen.

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5. Quellen
[1] Bauer, Eberhard; Mayer, Gerhard (2015): Spukphänomene. In: Mayer, Gerhard et al. (Hrsg.): An den Grenzen der Erkenntnis. Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik. S. 202 – 214. Stuttgart: Schattauer Verlag.

[2] Mayer, Gerhard; Schetsche, Michael (2019): RSPK Investigations. In: Hövelmann, Gerd H.; Mayer, Gerhard; Schetsche, Michael; Schmidt, Stefan (Hrsg.): N Equals 1. Single Case Studies in Anomalistics. Perspektiven der Anomalistik (6). S. 87 – 123. Zürich: LIT Verlag.